Brückenbauweisen
Für den Brückenbau in Betonbauweise stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Maßgeblich für die Auswahl sind die Geländebeschaffenheit und Gradiente, Brückenlänge und Spannweite sowie der wirtschaftliche Einsatz.
Die in den Anfangszeiten des Betonbrückenbaus ausschließlich angewendete Bauweise auf einem Lehrgerüst findet heute nur noch bei kurzen Spannweiten und niedrigen Brückenhöhen Anwendung. Das Lehrgerüst besteht aus Gerüstkonstruktionen, heute meist Lasttürmen, welche die Lasten aus Beton und Schalung unmittelbar oder über Fundamente vertikal in den Baugrund einleiten. In Naturschutzgebieten wird diese Bauweise als nicht zu duldende Beeinträchtigung betrachtet.
Große Spannweiten mit mehr als 150 m, wie sie beim Überwinden tiefer Täler, Meeresarmen und Flüssen häufig vorkommen, werden in der Regel im Freivorbau gebaut. Hierbei wird der Brückenüberbau - meist aus Spannbeton – Stück für Stück an den schon fertiggestellten Abschnitt angebaut, ohne dass dabei eine Abstützung nach unten erfolgt. Ggf. erfolgt eine Abspannung nach oben. Die Schalung ist z. B. in einem Vorbauwagen installiert, der nach dem Ausschalen und Vorspannen eines Abschnitts auf dem Kragarm des Brückenträgers weiter nach außen verschoben wird, um dort den nächsten Betonierabschnitt einzuschalen. Bei mehrfeldrigen Brücken kragen vom Pfeilertisch zu beiden Seiten Träger aus, die im Gleichgewicht stehen und gegen Kippen gesichert sind. An diesen Kragarmen hängt die Schalung für den Brückenüberbau. Sollen Bogenbrücken erstellt werden ohne Lehrgerüst, wird der Bogenfreivorbau angewendet. Dabei wird der Bogen mit Vorbauwagen und Abspannungen über Hilfsstützen parallel von den beiden Kämpfern aus erstellt.
Mehrfeldbrücken ab ca. acht Feldern mit mittleren Spannweiten bis ca. 60 m werden in der Regel im Taktschiebeverfahren gebaut. Voraussetzungen sind konstante Krümmungen der Gradiente. 10 m bis 30 m lange Brückenelemente werden hier an einem oder an beiden Brückenwiderlagern hergestellt und anschließend hydraulisch über die Brückenpfeiler geschoben. Die Taktfertigung mit ständig gleichen Arbeiten und die Möglichkeit zur nahezu witterungsunabhängigen Fertigung in einer Feldfabrik ergeben kurze Bauzeiten. Ein Nachteil ist, dass verfahrensbedingt nur gleich bleibende Querschnitte hergestellt werden können, deren Konstruktionshöhe von der größten Spannweite bestimmt wird.
Bei der Herstellung von Bogenbrücken im Bogenklappverfahren System Bung werden komplette Bogenhälften zunächst aufrecht in einer Kletterschalung hergestellt und anschließend in ihre endgültige Lage abgelassen.
Brücken aus werksmäßig hergestellten Betonfertigteilen ermöglichen sehr kurze Bauzeiten, sind aber wegen der Limitierungen der Transportabmessungen der Fertigteile nur bei kleineren Spannweiten bis ca. 40 m einsetzbar. Diese Bauweise weist dort die größten Vorteile auf, wo Verkehrswege überbrückt werden müssen, die – wenn überhaupt – nur kurzzeitig gesperrt werden dürfen. Die Planung von Transport, Kranstellplätzen und Montage stellt hohe Anforderungen an die Baustellenorganisation. Wirtschaftlich ist der Einsatz bei vielen Brückenfeldern mit immer gleichen Querschnitten der Träger.
Die Limitierungen der Transportabmessungen gelten nicht beim neuen Verfahren der Vollfertigteilbauweise („Bausteinbrücke“). Hier wird die Brücke vollständig aus vielen einzelnen Fertigteilen konzipiert, die auf der Baustelle modular zusammengebaut wurden (siehe Literatur).
Literatur
- Balder, Thorsten: Der Ersatzneubau Hammacher Straße über die BAB A46 - Realisierung eines innovativen Brückenbaukonzepts in Fertigteilbauweise. In: beton 5/2020, Seite 176f
- Wittfoht, Hans: Triumph der Spannweiten. Beton-Verlag, Düsseldorf 1972
- Wittfoht, Hans: Brückenbauer aus Leidenschaft - Mosaiksteine aus dem Leben eines Unternehmers. Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf 2005
- Mehlhorn, Gerhard; Curbach, Manfred: Handbuch Brücken - Entwerfen, Konstruieren, Berechnen, Bauen und Erhalten. Springer fachmedien, Wiesbaden 2014