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Prof. Dr.-Ing. E. h. mult. Otto Graf, Baustoffwissenschafter und Hochschulprofessor<br /> | Prof. Dr.-Ing. E. h. mult. Otto Maximilian Graf, Maschinenbauer, Baustoffwissenschafter und Hochschulprofessor<br /> | ||
geb. 15.4.1881 in Vordersteinwald/Schwarzwald, gest. 29.4.1956 Stuttgart<br /> | geb. 15.4.1881 in Vordersteinwald/Schwarzwald, gest. 29.4.1956 in Stuttgart<br /> | ||
Nach einem Maschinenbaustudium und kurzer Tätigkeit bei der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) trat Otto Graf 1903 als Mitarbeiter in die von Carl von Bach geleitete Materialprüfungsanstalt der TH Stuttgart – das heutige Otto-Graf-Institut – ein. 1922 erhielt Otto Graf von der Bauingenieurabteilung der TH Stuttgart einen Lehrauftrag für Baustoffkunde und Baustoffprüfung. | Nach einer Mechanikerlehre, einem Maschinenbaustudium und kurzer Tätigkeit als Maschinentechniker bei der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) trat Otto Graf 1903 als Mitarbeiter in die von Carl von Bach geleitete Materialprüfungsanstalt der TH Stuttgart – das heutige Otto-Graf-Institut – ein. 1922 erhielt Otto Graf von der Bauingenieurabteilung der TH Stuttgart einen Lehrauftrag für Baustoffkunde und Baustoffprüfung. 1927 folgte die Ernennung zum Privatdozenten und zum Leiter der Abteilung Bauwesen der MPA Stuttgart. 1930 wurde er zum außerordentlichen Professor, 1936 zum Ordinarius für Baustoffkunde und Materialprüfung berufen.<br /> | ||
In den Jahren 1936 und 1937 führten ihn Studienreisen in die USA, nach Belgien und nach England.<br /> | |||
In über 600 Fachveröffentlichungen gab er sein Wissen weiter. Außerdem war er an der Bearbeitung | Insgesamt erforschte er systematisch Eigenschaften und Verhalten aller Baustoffe und ihren richtigen Einsatz im modernen Beton-, Holz-, Stahl- und Straßenbau. Zusammen mit Carl von Bach und Emil Mörsch schuf er die versuchstechnischen und wissenschaftlichen Grundlagen für den modernen Stahlbetonbau. <br /> | ||
In [4] werden die Verdienste um die wissenschaftliche Frischbetonforschung in Deutschland von Otto Graf, [[Hummel, Alfred|Alfred Hummel]] und [[Walz, Kurt|Kurt Walz]] besonders hervorgehoben. Otto Grafs Forschungen zum Einfluss der [[Kornzusammensetzung]] der [[Gesteinskörnung]] auf die [[Druckfestigkeit|Betondruckfestigkeit]] führten 1932 in der DIN 1045 zur Einführung der [[Sieblinienbereich|Sieblinienbereiche]], wie sie heute noch angewendet werden. Weitere wichtige Forschungsgebiete waren das [[Schwinden]], [[Quellen]] und [[Kriechen]] von Beton. Besonderes Augenmerk widmete er auch dem [[Porenbeton]] und [[Porenleichtbeton]].<br /> | |||
Ihm ist die Entwicklung zahlreicher neuer praxisgerechter Prüfverfahren zuzuschreiben, z . B. das [[Ausbreitmaß]] als Maßstab für die [[Konsistenz]]. Otto Graf führte mit verschiedenen Stählen, die als [[Bewehrung|Zugbewehrung]] in einem Stahlbetonbalken eingelegt wurden, [[Verbund|Verbundversuche]] durch. Er verwendete Stähle mit Walzhaut, angerostete Stähle und verformte Stähle. Die Versuche zeigten, dass die profilierten Stähle einen deutlich besseren Verbund mit dem Beton eingingen als Welleneisen und Rundeisen. Die Ergebnisse blieben zunächst unbeachtet, so dass in Deutschland erst nach dem 2. Weltkrieg profilierte Stähle als [[Bewehrung]] eingeführt wurden. 1910 führte Otto Graf bereits Versuchsreihen mit [[Spannbeton]] durch. 1951 und 1952 stellte er Betone mit mittleren Festigkeiten bis zu 83 N/mm² her, die heute als [[Hochfester Beton|Hochfeste Betone]] klassifiziert würden. Es handelte sich dabei um steife Betone ([[Wasserzementwert|w/z-Wert]] = 0,38) ohne [[Betonzusatzstoffe]] und ohne [[Betonzusatzmittel]]. Die [[Zementgehalt|Zementgehalte]] lagen zwischen 440 und 475 kg/m³.<br /> | |||
Unter der Leitung von Otto Graf wurden Laborversuche zur optimalen Auswahl des [[Zement|Zements]] und der [[Gesteinskörnung|Gesteinskörnungen]] für den [[Betonstraßen|Betonstraßenbau]] durchgeführt, deren Ergebnisse beim Bau der ersten Autobahnen einfloss. In Feldversuche ermittelte er die wirkliche Belastung von Betonfahrbahnen aus Verkehr, Temperatur, Schwinden und Frost. Die Erkenntnisse daraus bildeten für mehrere Jahrzehnte die Grundlage für den Entwurf, die Bemessung und den Bau von Betonstraßen.<br /> | |||
In über 600 Fachveröffentlichungen gab er sein Wissen weiter, auch nach seiner Emeritierung im Jahr 1950. Beispiele sind die richtungsweisenden Bücher „Der Aufbau des Mörtels und des Betons“ (1. Auflage 1922) und „Die Eigenschaften des Betons“ (1. Auflage 1948). Außerdem war er an der Bearbeitung technischer Regelwerke maßgeblich beteiligt.<br /> | |||
Ehrungen: | Ehrungen: | ||
* 1927 Ernennung zum Beratenden Mitglied vom Deutschen Beton-Verein e.V. (heute Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e.V.) | |||
* 1941 Emil-Mörsch-Gedenkmünze des Deutschen Beton-Vereins | * 1941 Emil-Mörsch-Gedenkmünze des Deutschen Beton-Vereins | ||
* 1950 Dr.-Ing. E.h. der TH Karlsruhe | * 1950 Dr.-Ing. E.h. der TH Karlsruhe | ||
* | * 1952 Dr.-Ing. E.h. der TH München | ||
* 1952 Ehrenzeichen des Vereins Deutscher Ingenieure e.V. (VDI) | * 1952 Ehrenzeichen des Vereins Deutscher Ingenieure e.V. (VDI) | ||
* 1953 Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland | * 1953 Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland | ||
* Ehrenvorsitzender der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen | * Ehrenvorsitzender der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen | ||
1981 hat der Bundesverband der Deutschen Zementindustrie (BDZ) anlässlich des 100. Geburtstags von Otto Graf bei der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) die Otto-Graf-Stiftung eingerichtet, die den "Otto-Graf-Preis" an Fachleute, die sich in hervorragender Weise um den Verkehrswegebau mit Beton verdient gemacht haben, sowie den "Förderpreis Verkehrsbau" an Vertreter des akademischen Nachwuchses, die durch besondere Arbeiten auf dem Gebiet des Verkehrsbaus mit Beton hervorgetreten sind, verleiht. | |||
==Literatur== | |||
[1] Professor Otto Graf gestorben. In: beton 5-1956, S. 152<br /> | |||
[2] Sbrzesny, Walter, "Graf, Otto Maximilian" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 725<br /> | |||
[3] Zum Gedenken an Otto Graf, universeller Bauforscher in Stuttgart. Abschiedsvorlesung von Prof. Dr.-Ing. H.-W. Reinhardt am 4. Juli 2006. Universitätsbibliothek Stuttgart 2006<br /> | |||
[4] Stark, Jochen; Wicht, Bernd: Geschichte der Baustoffe. Springer-Verlag, 2013 | |||
[[Category:Historische Betontechnologen]] |
Aktuelle Version vom 24. Februar 2016, 09:15 Uhr
Prof. Dr.-Ing. E. h. mult. Otto Maximilian Graf, Maschinenbauer, Baustoffwissenschafter und Hochschulprofessor
geb. 15.4.1881 in Vordersteinwald/Schwarzwald, gest. 29.4.1956 in Stuttgart
Nach einer Mechanikerlehre, einem Maschinenbaustudium und kurzer Tätigkeit als Maschinentechniker bei der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) trat Otto Graf 1903 als Mitarbeiter in die von Carl von Bach geleitete Materialprüfungsanstalt der TH Stuttgart – das heutige Otto-Graf-Institut – ein. 1922 erhielt Otto Graf von der Bauingenieurabteilung der TH Stuttgart einen Lehrauftrag für Baustoffkunde und Baustoffprüfung. 1927 folgte die Ernennung zum Privatdozenten und zum Leiter der Abteilung Bauwesen der MPA Stuttgart. 1930 wurde er zum außerordentlichen Professor, 1936 zum Ordinarius für Baustoffkunde und Materialprüfung berufen.
In den Jahren 1936 und 1937 führten ihn Studienreisen in die USA, nach Belgien und nach England.
Insgesamt erforschte er systematisch Eigenschaften und Verhalten aller Baustoffe und ihren richtigen Einsatz im modernen Beton-, Holz-, Stahl- und Straßenbau. Zusammen mit Carl von Bach und Emil Mörsch schuf er die versuchstechnischen und wissenschaftlichen Grundlagen für den modernen Stahlbetonbau.
In [4] werden die Verdienste um die wissenschaftliche Frischbetonforschung in Deutschland von Otto Graf, Alfred Hummel und Kurt Walz besonders hervorgehoben. Otto Grafs Forschungen zum Einfluss der Kornzusammensetzung der Gesteinskörnung auf die Betondruckfestigkeit führten 1932 in der DIN 1045 zur Einführung der Sieblinienbereiche, wie sie heute noch angewendet werden. Weitere wichtige Forschungsgebiete waren das Schwinden, Quellen und Kriechen von Beton. Besonderes Augenmerk widmete er auch dem Porenbeton und Porenleichtbeton.
Ihm ist die Entwicklung zahlreicher neuer praxisgerechter Prüfverfahren zuzuschreiben, z . B. das Ausbreitmaß als Maßstab für die Konsistenz. Otto Graf führte mit verschiedenen Stählen, die als Zugbewehrung in einem Stahlbetonbalken eingelegt wurden, Verbundversuche durch. Er verwendete Stähle mit Walzhaut, angerostete Stähle und verformte Stähle. Die Versuche zeigten, dass die profilierten Stähle einen deutlich besseren Verbund mit dem Beton eingingen als Welleneisen und Rundeisen. Die Ergebnisse blieben zunächst unbeachtet, so dass in Deutschland erst nach dem 2. Weltkrieg profilierte Stähle als Bewehrung eingeführt wurden. 1910 führte Otto Graf bereits Versuchsreihen mit Spannbeton durch. 1951 und 1952 stellte er Betone mit mittleren Festigkeiten bis zu 83 N/mm² her, die heute als Hochfeste Betone klassifiziert würden. Es handelte sich dabei um steife Betone (w/z-Wert = 0,38) ohne Betonzusatzstoffe und ohne Betonzusatzmittel. Die Zementgehalte lagen zwischen 440 und 475 kg/m³.
Unter der Leitung von Otto Graf wurden Laborversuche zur optimalen Auswahl des Zements und der Gesteinskörnungen für den Betonstraßenbau durchgeführt, deren Ergebnisse beim Bau der ersten Autobahnen einfloss. In Feldversuche ermittelte er die wirkliche Belastung von Betonfahrbahnen aus Verkehr, Temperatur, Schwinden und Frost. Die Erkenntnisse daraus bildeten für mehrere Jahrzehnte die Grundlage für den Entwurf, die Bemessung und den Bau von Betonstraßen.
In über 600 Fachveröffentlichungen gab er sein Wissen weiter, auch nach seiner Emeritierung im Jahr 1950. Beispiele sind die richtungsweisenden Bücher „Der Aufbau des Mörtels und des Betons“ (1. Auflage 1922) und „Die Eigenschaften des Betons“ (1. Auflage 1948). Außerdem war er an der Bearbeitung technischer Regelwerke maßgeblich beteiligt.
Ehrungen:
- 1927 Ernennung zum Beratenden Mitglied vom Deutschen Beton-Verein e.V. (heute Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e.V.)
- 1941 Emil-Mörsch-Gedenkmünze des Deutschen Beton-Vereins
- 1950 Dr.-Ing. E.h. der TH Karlsruhe
- 1952 Dr.-Ing. E.h. der TH München
- 1952 Ehrenzeichen des Vereins Deutscher Ingenieure e.V. (VDI)
- 1953 Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland
- Ehrenvorsitzender der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen
1981 hat der Bundesverband der Deutschen Zementindustrie (BDZ) anlässlich des 100. Geburtstags von Otto Graf bei der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) die Otto-Graf-Stiftung eingerichtet, die den "Otto-Graf-Preis" an Fachleute, die sich in hervorragender Weise um den Verkehrswegebau mit Beton verdient gemacht haben, sowie den "Förderpreis Verkehrsbau" an Vertreter des akademischen Nachwuchses, die durch besondere Arbeiten auf dem Gebiet des Verkehrsbaus mit Beton hervorgetreten sind, verleiht.
Literatur
[1] Professor Otto Graf gestorben. In: beton 5-1956, S. 152
[2] Sbrzesny, Walter, "Graf, Otto Maximilian" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 725
[3] Zum Gedenken an Otto Graf, universeller Bauforscher in Stuttgart. Abschiedsvorlesung von Prof. Dr.-Ing. H.-W. Reinhardt am 4. Juli 2006. Universitätsbibliothek Stuttgart 2006
[4] Stark, Jochen; Wicht, Bernd: Geschichte der Baustoffe. Springer-Verlag, 2013